Kunststudentinnen und Kunststudenten stellen aus 2009

19. Bundeswettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung

Grußwort der Bundesministerin für Bildung und Forschung

Dr. Annette Schavan, MdB

Ernst Barlach hat einmal treffend gesagt: »Zu jeder Kunst gehören zwei: einer der sie macht, und einer, der sie braucht.« Mit ihren Arbeiten suchen Künstlerinnen und Künstler den Dialog mit der Öffentlichkeit. Denn was durch künstlerische Gestaltungskraft und Phantasie entsteht, wird erst dann zum produktiven Kunstwerk, wenn es die Aufmerksamkeit und die Neugierde des ­Publikums herausfordert.

Viele hochtalentierte Studentinnen und Studenten eignen sich an deutschen Kunsthochschulen und Kunstakademien nicht nur technisches Handwerkszeug an.

Sie entwickeln in der intensiven Beschäftigung mit dem Arbeits­material und der Tradition auch vielfältige Ideen, Botschaften und Positionen, die sie in ihren Arbeiten zum Ausdruck bringen. Dabei nutzen sie den Freiraum der Kunsthochschulen für die Entfaltung ihrer künstlerischen Ausdrucksmittel. Mit dem Bundes­wettbewerb »Kunststudentinnen und Kunst­studenten ­stellen aus« erhalten Kunststudierende zum 19. Mal ein Forum, um in einem überregionalen Rahmen die Vielfalt und Intensität ihrer künst­lerischen Ausbildung zu präsentieren. Jede nach­wachsende Künstlergeneration muss sich in ihrer Zeit ihre eigenen Standpunkte erarbeiten. Und immer wieder aufs Neue braucht Kunst ein Publikum, das den Arbeiten der jungen Künst­lerinnen und Künstler aufgeschlossen begegnet und sich frei von ­Erwartungen mit neuen Ausdrucksformen und Handschriften auseinandersetzt.

Die in der Ausstellung präsentierten Arbeiten werden in einem Katalog dokumentiert, der in diesem Jahr ebenso wie der Internetauftritt von Studierenden der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig gestaltet wurde. Dieser Katalog ist ein Zeitdokument, das weit über die Ausstellung hinaus einen Eindruck vermittelt von der Arbeit des künstlerischen Nachwuchses.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung wird bei der Förderung dieser Biennale der jungen Kunst von der Rektoren­konferenz der Kunsthochschulen, der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn und dem Deutschen Studentenwerk hervorragend unterstützt.

Für dieses Engagement danke ich allen Beteiligten. Den jungen Künstlerinnen und Künstlern wünsche ich den Mut, ihren Weg weiter zu gehen und ihre individuellen künstlerischen ­Positionen zu vertreten. Tragen Sie auch in Zukunft Ihren Teil zum Reichtum unserer Kulturlandschaft bei!

Vorwort des Präsidenten der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland

Henry Tesch, Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern

»Im Entwurf zeigt sich das Talent, in der Ausführung die Kunst.« Dieses Zitat von Marie Ebner-Eschenbach erscheint mir ­besonders geeignet, den Wettbewerb »Kunststudentinnen und Kunst­studenten stellen aus« zu würdigen. Bereits zum 19. Mal bietet dieser in seiner Konzeption einmalige Wettbewerb jungen Kunst­schaffenden die Gelegenheit, ihre Werke unter pro­fessionellen Bedingungen zu zeigen, aus dem geschützten Raum ihrer Hoch­schulen herauszutreten und sich im Ausstellungsbetrieb zu ­erproben. Hierzu gehört auch, sich dem Vergleich mit Arbeiten von Kommilitoninnen und Kommilitonen zu stellen.

Erfreulicherweise ist die öffentliche Aufmerksamkeit in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen, das Interesse, ja, die Neugier, wie sich die junge Künstlergeneration präsentiert, ist groß. Dass die Erwartungen gerechtfertigt sind, hat der dies­jährige Wettbewerb erneut gezeigt, bei dem die Vielfalt und ­Originalität, die Techniken und Themen der Werke beeindruckt haben, dort, wo auch bewusst Konfrontation und Provokation gesucht werden.

Im Namen der Kultusministerkonferenz möchte ich allen ausstellenden Künstlerinnen und Künstlern, die mit professioneller Unterstützung der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundes­republik Deutschland in deren Räumen und ­begleitend in diesem Katalog ihre Werke präsentieren können, ins­besondere natürlich den Preisträgerinnen und Preisträgern dieses ­Jahres, zu ­ihrem Erfolg herzlich gratulieren. Nehmen Sie diese ­Anerkennung als Bestätigung und Ermutigung, den von Ihnen ein­geschlagenen Weg weiter zu gehen, auch wenn dieser nicht immer einfach oder gradlinig verlaufen mag. In Zeiten, in denen zu­nehmend unter dem Einfluss einer allgemeinen Globalisierung nivellierende ­Tendenzen und eine gewisse Beliebigkeit beklagt werden, braucht die Gesellschaft besonders die Sensitivität der Künstler, die – bildlich gesprochen – den Finger in die Wunde legen und uns Denk­anstöße geben. Ob uns ein bestimmtes Werk gefällt, ob wir etwas mit seiner Aussage anfangen können oder nicht – jedenfalls fordert uns die Kunst dazu auf, Dinge aus unter­schiedlichen Blickwinkeln zu sehen, vorgefasste Meinungen zu überdenken. Oder, um mit Paul Klee zu sprechen: Die Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar. Diese gesellschaftsbezogene ­kritische Funktion der Kunst halte ich für unerlässlich.

Ich danke auch im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen in der Kultusministerkonferenz den Organisatoren des Wettbewerbs und der Ausstellung. Sie bieten dem künstlerischen Nachwuchs das dringend benötigte Ausstellungsforum, das den Dialog unter­einander, mit der Öffentlichkeit, und auch einen vielleicht ersten Zugang zum Kunstmarkt und damit professionelle Kontakte ermöglicht.

Nicht zuletzt möchte ich den Kunsthochschulen und -akade­mien zu dieser gemeinsamen Präsentation gratulieren. Der Erfolg der Ausstellenden ist auch ein Erfolg der Institutionen, der Aus­bildung, die Studentinnen und Studenten zu selbst­ständiger künstlerischer Arbeit befähigt, unterstützt und ihnen das not­wendige Handwerk vermittelt. Der diesjährige Wettbewerb ­dokumentiert erneut deren hohe Qualität, der unsere Anerkennung gilt.

Ich wünsche der Ausstellung auch in diesem Jahr wieder eine große Resonanz und ein aufgeschlossenes Publikum sowie den ausstellenden Künstlerinnen und Künstlern viel Erfolg auf ihrem weiteren Weg.

Vorwort der Sprecherin der Rektorenkonferenz der Kunsthochschulen in der Bundesrepublik Deutschland

Prof. Dr. Karin Stempel, Rektorin der Kunsthochschule Kassel

Spätestens seit der Renaissance, der Zeit, seit der es Akademien und Kunsthochschulen gibt, ist unter immer neuen Vorzeichen über die Ausbildung von Künstlern und Künstlerinnen gestritten worden. Ebenso oft wie das Ende der Kunst proklamiert worden ist, ist die Frage gestellt worden, ob Kunst überhaupt lehrbar sei und wenn ja, was Form und Inhalt dieser Lehre sein könne.

Ging es in der Vergangenheit dabei meist um den Streit der Moderne gegen die Antike, der Neuen gegen die Alten, der Dominanz einer Kunstauffassung gegen eine andere oder um den Stellenwert handwerklichen Könnens im Verhältnis zu künst­lerischem Schaffen, hat sich die Auseinandersetzung um die künstlerische Ausbildung spätestens seit Mitte des vorigen Jahrhunderts vor dem Hintergrund eines grundlegenden Paradigmenwandels der Gesellschaft nachhaltig verändert.

Vorbei scheint die Zeit, da es nur darum ging, tradierte Werte und Normen der Kunst in Frage zu stellen, vorbei scheint die Zeit, da man sich auf irgendeine gesicherte Position zurückziehen konnte oder auf Grundlagen künstlerischer Praxis, deren Vermittlung fraglos war – selbst kritische Distanz oder fortwährender Widerspruch zum Establishment sind als künstlerische Strategien obsolet geworden.

Künstler und Künstlerinnen befinden sich vielmehr nicht nur in einem Prozess der permanenten Selbstbefragung und Selbst­behauptung einer Gesellschaft gegenüber, in der sie hoch ­differenzierten Marktmechanismen ausgesetzt sind, sondern sie sind auch aufgefordert, sich im Verhältnis zu neuen Technologien und zu Wissenschaft und Forschung zu positionieren und sich gleichermaßen inmitten der Ökonomisierung aller kulturellen Bereiche zu behaupten. Kunst soll und muss sich in dem hoch­komplexen Handlungsfeld einer globalen Kommunikationsgesellschaft nicht nur bewähren, sondern sich auch durch ihren spezifischen Beitrag – sei es als kleine Flucht oder großer Wurf – legitimieren.

Künstler und Künstlerinnen in der Lehre sind heute mit vielfältigen Anforderungen konfrontiert, die in der einen oder anderen Form Eingang in die Curricula der Akademien und Hochschulen gefunden haben, aber damit nicht genug: »Die Übernahme genuin künstlerischer Arbeitsstrukturen im Kontext der Kreativitäts­ideologien der New Economy hat die Rigorosität des arbeitsweltlichen Zeitmanagements noch verschärft.«¹ – und dies vor allem für diejenigen, in deren Hand nach wie vor die Ausbildung der Studierenden liegt, nämlich den engagierten jungen Künstlern und Künstlerinnen, die sich der komplexen Aufgabe der Lehre – zwischen Entertainment und Kärrnerarbeit² – immer noch stellen, ohne ihren eigenen künstlerischen Anspruch aufzugeben.

Die unsäglichen Diskussionen zur Einführung von Bachelor- und Master­studiengängen und den damit verbundenen Implikationen für die Ausbildungssituation an deutschen Akademien und Kunsthochschulen, die uns lange genug beschäftigen, sind dabei nur eine Facette innerhalb einer Reformdiskussion, bei der es gilt, eins nicht aus dem Auge zu verlieren, nämlich, dass sich die Aufgabenstellungen und Ausbildungsziele in vielen Aspekten gravierend verändert haben.

Wie kann es gelingen, den vielfältigen Ansprüchen zu genügen: sich als renommierter Künstler auf einem flagranten Markt zu behaupten, sich in aller Konsequenz den komplexen Aufgaben der künstlerischen Lehre zu stellen, die legitimen Erwartungen der Studierenden zu erfüllen, den verwaltungstechnischen Erfordernissen zu entsprechen und dabei die bürokratischen Hürden möglichst elegant zu nehmen.

Was bei allen Debatten um eine Reform der künstlerischen Ausbildung vergessen wird, ist, dass sich Künstler und Künstlerinnen für ihre Position an einer Akademie außerhalb der ­akademischen Laufbahn qualifizieren, nämlich durch den Stellen­wert auf dem sog. freien Markt. Keine Hochschule sucht einen diplomierten Künstler oder eine promovierte Künstlerin, sondern stets geht es um die möglichst international renommierte künstlerische Persönlichkeit, die sich durch ihre ­unverwechselbare ­Position und Positionierung empfiehlt. Diese – und das ist nicht zuletzt auch das Interesse der Hochschule und ihrer Studierenden – gilt es zu erhalten und zum Nutzen aller weiter­zuentwickeln. Dass dies zunehmend der Quadratur des Kreises gleicht, ­sollte ­spätestens mit dem Rückzug von Neo Rauch und seinen damit verbundenen öffentlichen Ausführungen bewusst ­geworden sein.

Was Kunst, künstlerische Entwicklung und künstlerische Aus­bildung braucht, ist vor allem Zeit und zwar nicht regle­mentierte Zeit, sondern Zeit zur Orientierung im Hier und Jetzt, Zeit für die Vergangenheit und Zeit für die Zukunft, Zeit zum Scheitern ebenso wie Zeit zum Gelingen. Zeit – dieser vielleicht größte Luxus unserer Gesellschaft ist die Grundlage künstlerischer Ausbildung, und wenn man weiterhin hochkarätige Künstler und Künstlerinnen in der Lehre an deutschen Akademien antreffen will, gilt es der Eigengesetzlichkeit künstlerischer Entwicklung auch weiterhin Rechnung zu tragen und dies bei jeder wie auch immer gearteten Reform nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Noch unterrichten namhafte Künstler und Künstlerinnen an deutschen Akademien und Kunsthochschulen und die un­um­stritten hohe künstlerische Qualität der Ausbildung ist die beste Empfehlung für dieses Modell und das beste Argument für dessen Erhalt.

Ich freue mich, dass die deutschen Kunsthochschulen auch in diesem Jahr wieder die Gelegenheit haben, in der Bundes­kunst­halle einem großen Publikum einen Einblick in die Ergebnisse ihrer Arbeit geben zu dürfen.

Im Namen der Präsidentinnen und Präsidenten bzw. Rektoren und Rektorinnen der deutschen Kunsthochschulen danke ich allen, deren gemeinsamer Anstrengung sich diese Aus­stellung ver­dankt: Allen voran dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Deutschen Studentenwerk, insbesondere Angela von ­Wietersheim, der Bundeskunsthalle, insbesondere Hubert Ringwald, der Jury, der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig für die Gestaltung des Katalogs und last but not least insbesondere allen Studentinnen und Studenten, die hier ihre Arbeiten zeigen.

  1. 1

    Hans Peter Schwarz: Zur Präzisierung der Erinnerung – 450 Jahre Kunstausbildung. In: Den Künsten eine Zukunft, Publikation zur Gründung der Zürcher Hochschule der Künste, Zürich 2007, S. 12

  2. 2

    vgl. dazu Forschung und Lehre, 15. Jahrgang, Heft I, Bonn 2008, Themenheft Hochschuldidaktik

Vorwort der mit der Gestaltung der Werbemedien betrauten Kunsthochschule

Barbara Straka, Präsidentin der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig

Ring frei für …: 48 Kunststudentinnen und Kunststudenten

Wie schon im Jahr 2002 ging der Gestaltungsauftrag für Katalog, Plakat und Website des ambitionierten bundesweit ­ausgerichteten Projekts »Kunststudentinnen und Kunststudenten stellen aus« erneut an die Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Wir freuen uns sehr über diese Anerkennung. Die Niedersächsische Kunsthochschule als zweitgrößte in der Bundesrepublik zählt mit ihrer Neugründung im Jahr 1963 zu den noch jüngeren Einrich­tungen ihrer Art. Alleinstellungsmerkmal der HBK ist das »Braunschweiger Modell«; es vereint die Kernbereiche Freie Kunst (ref. Diplom), Design (BA / MA) und Kunst- und Medienwissen­schaften (BA / MA) in bisher 16 akkreditierten Studiengängen mit der Option der Promotion und Habilitation. Aufbaustudiengänge (PHD) sind in Planung. Das künstlerisch-wissenschaft­liche Profil der HBK als Kunstuniversität mit ihrer ausdifferenzierten, durchlässigen Studienstrukturverflechtung ermöglicht es ­unseren Studierenden, eine ebenso individuelle wie interdisziplinär ausgerichtete Bildung zu erlangen, die ihnen als Absolventen und künftigen Akteuren in der Kultur- und Kreativwirtschaft gute Berufsmöglichkeiten eröffnet.

Studierende des Kommunikationsdesign – erstmals im Team mit Absolventen – haben für das Projekt »Kunststudentinnen und Kunststudenten stellen aus« eine großartige Arbeit ­geleistet: einen inspirierenden Titel gefunden, ein originelles Konzept ­erstellt, ein innovatives Layout entwickelt und schließlich drei ­präzise und schlüssig aufeinander abgestimmte Produkte vor­­gelegt, die zum realen und virtuellen Besuch der Bonner Aus­stellung animieren. »Ring frei« ist mehr als ein Titel – eine Metapher vielmehr, die im Symbol des Ringes das Gesamtprojekt sowohl konzeptionell als auch inhaltlich und gestalterisch ganz­heitlich fasst.

»Ring frei«: 48 Kunststudentinnen und -studenten der ­deutschen Kunsthochschulen und -akademien begeben sich in den imaginären »Ring« – sie haben die Herausforderung des Wettbewerbs angenommen und stellen sich mit großen Erwartungen der Jury und dem Publikum. »Ring frei« führt zunächst aber in andere Kontexte, was durchaus nachdenklich stimmt: Denn der Titel lässt – wortwörtlich genommen – an Ring- oder Boxkämpfe denken, mit Siegern und Verlierern, oder auch an Zirkusarenen, in denen Artisten ihren Auftritt haben und domestizierte exo­tische Tiere willig im Kreis laufen. Immer geht es in diesen Bildern um kämpferisches Gegeneinander, ritualisierte, zwanghafte Abläufe oder exponierte Selbstdarstellung. »Ring frei« enthält somit durchaus kritische Anspielungen auf das ­»Betriebssystem Kunst«, denn Ausstellen und Zur-Schau-Stellen liegen nicht nur begrifflich nahe beieinander. Vom Jahrmarkt zum Markt: der Kunstmarkt heute – eine Schaustellerei? Zumindest ein harter Wettbewerb, dem sich Studierende noch nicht ausliefern müssen, obwohl es für Galeristen längst kein Geheimtipp mehr ist, ihr Nachwuchsprogramm direkt aus den Klassen der Kunsthochschulen zu rekrutieren. Doch entschieden sich ­deren PräsidentInnen und RektorInnen sehr bewusst gegen den ­ursprünglich vorgeschlagenen Titel »Galerie der Besten«, da er zu sehr die Konkurrenz der Teilnehmer betont und einer unbefangenen, individuellen Präsentation der TeilnehmerInnen entgegen gestanden hätte. Bevor sich die künftigen Absolven­tinnen und Absolventen der deutschen Kunsthochschulen dem Wettbewerb des Kunstmarktes stellen, haben sie mit der Aus­stellung in der Kunsthalle der Bundesrepublik Deutschland eine gute Möglichkeit, sich im Vergleich untereinander und dem interessierten Publikum zu präsentieren. Erstmals finden die meisten von ihnen so den Weg in eine große Öffentlichkeit, und darin liegt die große Chance dieser Ausstellung. Für einige Wochen gibt sie den Ring frei für junge Künstlerinnen und Künstler der deutschen Kunsthochschulen, eröffnet ihnen eine Plattform zur individuellen Darstellung. In dieser Ausstellung gibt es zwar eine Jurybewertung, aber keine wirklichen Sieger und Verlierer. Diesem Gedanken entsprachen die Braunschweiger KommunikationsdesignerInnen in origineller Weise dadurch, dass der mit Sichtfenster gestaltete Ringbuch-Katalog zunächst nur den Blick frei gibt auf die abstrakte Zahl der 48 TeilnehmerInnen, sich jedoch beim Umblättern individuell so nutzen lässt, dass praktisch jeder und jede von ihnen den eigenen Namen »in den Ring« stellen kann. »Ring frei« heißt dann »Blick frei« – auf das eigene Werk.

»Ring frei« gibt aber auch den Blick frei auf die deutschen Kunsthochschulen. So individuell wie das Profil ihrer Absol­ven­ten, ist auch das Profil der Kunsthochschulen selbst von Einzigartig­keit und Unvergleichlichkeit geprägt. Gerade in der historisch gewachsenen, von Bundesland zu Bundesland gegebenen Unter­schiedlichkeit liegt die besondere Qualität für Studium und Lehre, die es auch durch die Studienreform hindurch zu er­hal­ten gilt. In der bundesweiten Einführung von Bachelor und Master – gegenüber dem international anerkannten Diplom in der Freien Kunst – sehen viele keinen Weg zur Wahrung der Qualität, und noch wird von vielen Hochschulleitungen gemeinsam mit den Landesregierungen um Lösungen gerungen, die einer­seits die dringend notwendige Studienreform gewährleisten, an­dererseits Bewährtes erhalten. Die »Quadratur des Kreises« ist gefragt. Der Bologna-kompatible, reformierte Diplomstudien­gang Freie Kunst an der HBK Braunschweig (10 Sem.) könnte hier Anregungen geben.

»Ring frei« ist nicht zuletzt auch eine ausgezeichnete Plattform der Information für Studieninteressierte, und darin liegt ein besonderer Vorzug des Konzepts, das – fast nebenbei – auch Marketing für die Kunsthochschulen in Deutschland betreibt. Und ­wodurch könnte dies besser unter Beweis gestellt werden als durch die Qualität der Ergebnisse von Studium und Lehre in den Werken der Ausstellungsteilnehmer. Denn wer sich heute für ein Studium an einer Kunsthochschule interessiert, hat es schwer: Der Blick ins Internet gibt wenig Vergleichendes preis, und ein gemeinsames Portal der deutschen Kunsthochschulen ist bisher Desiderat.

Dennoch wäre es für die deutschen Kunsthochschulen eine Illusion, die Zeichen der Zeit zu verkennen und sich nicht auch ­bedingt einem Wettbewerb zu öffnen. Den internationa­len Vergleich müssen wir nicht scheuen. In der Wissensgesellschaft kommt den Kunsthochschulen eine herausragende Bedeutung zu, wenn die ästhetische Bildung einerseits, die Pflege von Kunst und Kultur und die Ausbildung von Kreativen i.w.S. auch lang­fristig gesellschaftlich gesichert sein sollen. Eine stärkere Arbeitsmarktorientierung von Kunsthochschulen in Anerken­nung der Tatsache, dass es sich bei der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht um die verpönte »Kulturindustrie« der 70er-Jahre-Debatten, sondern um eine der weltweit größten Wachstumsbranchen handelt, steht nicht im Gegensatz zu ihrem Autonomieverständnis und liefert die Studierenden noch nicht gleich ungeschützt dem Markt und das Kunstwerk der totalen Kommerzialisierung aus. Diesen ökonomischen Herausforderungen kann nicht begegnet werden, wenn sich die Kunsthochschulen aus der Gesellschaft zurückziehen, Reformen vertagen und keine aktive Rolle in der Hochschulpolitik und ihrer Bundesorganisation einnehmen. Eine lange überfällige Profil- und Statusdiskussion der Akademien, Kunsthochschulen und -universitäten – auch gemeinsam mit den Musikhoch­schulen – führt nicht gleich zu interner Konkurrenz, aber zu einem besseren Verständnis für die institutionelle Vielfalt untereinander, die charakteristische Ausprägung und die Alleinstellungsmerkmale jeder einzelnen Einrichtung. Diese vergleichende Analyse wäre Voraussetzung für eine Identitätsdebatte, die zwischen einer Diskussion um die Identität des Faches Freie Kunst und der Diskussion um die Identität der Institution – bei aller Unterschiedlichkeit – deutlich unterscheiden muss. Was ist der Kern, die Kernkompetenz der Kunsthochschulen heute? Die Beantwortung dieser Frage könnte zu einer Profilschärfung der deutschen Kunsthochschulen insgesamt und damit zu einer Stärkung der gesellschaftlichen Wertschätzung ihrer Bedeutung führen sowie von Kunst, Kultur und Kreativität überhaupt.

Vorwort des Präsidenten des Deutschen Studentenwerks

Prof. Dr. Rolf Dobischat, Universität Duisburg-Essen

»Kunststudenten« ist Praxis, »Kunststudenten« ist Chance, »Kunststudenten« ist Risiko. Eine willkürliche Verkürzung, sagen Sie? Wir werden sehen.

Dieser Katalog selbst ist Teil einer künstlerischen Praxis; ­Studierende der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig haben ihn konzipiert und realisiert.

Er versammelt die Arbeiten von 48 Kunst-Studierenden.

Sie wurden von 24 Kunsthochschulen und Kunst­akademien aus ganz Deutschland für den Bundeswettbewerb »Kunst­studentinnen und Kunststudenten stellen aus« nominiert, den das Bundes­ministerium für Bildung und Forschung bereits zum 19. Mal auslobt. In die Ausstellung in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland strömen regelmäßig viele Tausend Besucher.

48 von Tausenden angehenden freien bildenden Künstlerinnen und Künstlern. 48 Glückliche, Auserwählte, die Besten aller Nachwuchskräfte? Wir werden sehen.

Sie haben jedenfalls die Chance, sich der Kunstszene, dem Kunstmarkt und einem breiten Publikum zu zeigen. Einige wenige werden mit Geldpreisen geehrt, zwei mit Werkstipendien für das Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf bei Berlin. Der Wettbewerb als Durchbruch, als Lebenschance – oder als eine von vielen Aus­stellungen, eine Marginalie in der Biografie? Wir werden sehen.

Und da ist das Risiko. Das Risiko, vielleicht doch noch nicht so weit zu sein in der künstlerischen Entwicklung. Das Risiko, die eigene Position, die eigene Handschrift noch nicht ausreichend entwickelt zu haben, gerade gegenüber den Lehrenden. Das Risiko – worst case –, epigonal zu wirken. Wir werden sehen.

Praxis, Chance, Risiko. Die hier versammelten jungen Künst­lerinnen und Künstler haben unsere Aufmerksamkeit verdient, ­unsere Neugier und unsere Zeit. Ich bin stolz und dankbar, dass das Deutsche Studentenwerk als organisatorischer ­Träger des Wettbewerbs dazu beitragen kann, dem künstlerischen ­Nachwuchs in Deutschland diese Plattform zu schaffen.

Sie werden sehen, nein: Sie müssen sehen.