Kunststudentinnen und Kunststudenten stellen aus 2009

19. Bundeswettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung

Ulrich Pester

Hochschule für Bildende Künste Braunschweig

Für Ulrich Pester

Dass die Natur ziemlich komisch geworden ist*, sich gerade noch als Rest eines ehemals »Authentischen« mehr oder weniger schlecht präsentiert oder repräsentiert, dürfte jedem vernunftbegabten Menschen heute (2008) klar sein. Man geht in botanische Gärten, den Zoo, ins Naturkundemuseum, um gerade noch eine Ahnung von dem zu bekommen, was sich früher, in selbstischer Einheitlichkeit deutlich, und als Gegensatz zur »Kultur« definierte. Doch die Verhältnisse sind komplizierter geworden.

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Dies weiß U.P. und dies weiß auch seine Malerei. Sie geben die Möglichkeit, ironische Klarheit in verquere Verhältnisse und geheimnisvolles Dunkel, eine ganz und gar eigene, eigentümliche »individuelle Mythologie«**, da auszubreiten, wo alles vorgibt, die Dinge wären deutlich und leicht nachvollziehbar. Aber da bleibt eine Lücke. In die hat er sich hineinbegeben, um uns mit Bildern zu versorgen, wo es uns sonst nur noch die Sprache verschlägt!

Diese scheinbar ganz einfachen Dinge! Ein Bündel Äste, später zum Feuer einer Lagerstelle zusammengestellt. Oder Komplizierteres, z. B. eine Art Häuserfront, eine flache Kulisse im Stile Hollywoods, abgestützt mit Ästen, die sich dann hinter einer Art Mauer, einem Raumteiler, exakt so noch einmal zeigt. Da wird dem Betrachter ganz schön was (vor-)gespiegelt. Mich jedenfalls erinnerte dieses Bild sofort an Doppelung, Bruch und Wiederholung bestimmter Atmosphären in den Filmen von David Lynch.

U.P. lässt sich solchen Irrationalismus nicht einfach pseudo-surrealistisch ausbreiten. Er kontert im Kleinen, im Kleinstformat mit Schichten einer, seiner Malerei souveräner Bescheidenheit. Die, gerade weil sie sich bescheiden gibt, in der Lage ist, Komplexes und, wie gesagt, komplizierte Verhältnisse um so genauer zu beschreiben. Er weiß es. Und um Klarheit oder angenehme Verwirrung in eben diese, schon lange nicht mehr so »natürlichen« Verhältnisse zu bringen, braucht oder gebraucht er dann auch die entsprechende Farbigkeit, also Nichtfarbigkeit. Erdbraun, Lehmgrau, dunkelstes Grün und Blau etc. etc.

All dies ist trotzdem nicht einfach nur »reizvoll oder fremd« anzusehen. Genauso wenig wie ein verstörtes Tier im Zoo, ein vom sauren Regen zerfressener Wald, ein im Völkerkundemuseum sicher hinter Glas abgelegter, »verwalteter« Gegenstand einer ehemals schamanistischen Zeremonie … U.P. weiß um diese realen »Dramen« des, unseres Alltags. Aber hier wird nichts beweint, nichts einfach nur betrauert. Mir scheint seine Malerei die angemessene, also einzig mögliche »Danebensetzung« zu sein, im Angesicht einer immer allgemeiner werdenden »Tatsachendiktatur«. Das wäre für mich dann auch eine neue, politische Position im Dschungel (schon wieder einer!) der Begrifflichkeiten und Fakten. Keine Fluchtbewegung, im Gegenteil: eine real-realistische Einschätzung der Möglichkeiten des Künstlers, des Malers, an der Wunde, an der Schnittstelle von Natur und Kultur. The morning? Comes eclectic! Walter Dahn

  1. *

    Siehe: F. W. Heubach in »Interfunktionen 9«, 1972 (zu Lothar Baumgarten).

  2. **

    Ein von Harald Szeemann eingeführter Begriff für die von ihm betreute Sektion der legendären »Documenta 5«, 1972.

Ulrich Pester

E-Mail ulrichpester[at]googlemail.com

Vita
  • geboren 1980 in Hannover
  • seit 2004 Studium der Freien Kunst an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig bei Prof. Hartmut Neumann und Prof. Walter Dahn